Eine Prognose zum BIG PICTURE
aus Kraftwerkslandschaft, Energiebörse und Geopolitik.
Die Entwicklung der Energiemärkte in den zurückliegenden beiden Jahren stellt zahllose Unternehmen aktuell vor weitreichende Entscheidungen:
Kann der eigene Standort in den nächsten 10 – 15 Jahren weiterhin rein über den Energiemarkt versorgt werden?
Ab welchem Punkt muss massiv in Energieeffizienz und Eigenversorgung investiert werden?
Die letzten Jahre zeigen Strompreise von 2,5 – 95 ct / kWh - woran orientieren wir uns?
Herstellkosten und Börse
Was kostet Stromherstellung in Deutschland?
Eine Frage, der das Fraunhofer-Institut in regelmäßigen Abständen nachgeht, zuletzt im Juni 2021. Analysiert werden die Herstellkosten von Strom, unterschieden nach Kraftwerkstypen. Im Ergebnis zeigt sich ein Spread von ca. 4 ct / kWh (PV-Freifläche) bis ca. 29 ct / kWh (Gaskraftwerk) wie in der folgenden Grafik abgebildet. Überträgt man dieses Ergebnis auf die Strombörse EEX sowie den dort preisbestimmenden „Merit-Order-Effekt“ ergibt sich ein anderes Bild. Hier gilt: Das teuerste Kraftwerk in Deutschland legt den Börsenpreis fest.
Übergangstechnologie - Gaskraftwerk
Ein Rückblick: Zum Zeitpunkt der aufkommenden staatlichen Förderung von Erneuerbaren Energien herrschte in Deutschland weitgehende Strom-Vollversorgung. Atom-, Kohle- und vereinzelte Gaskraftwerke machten zuverlässig ihre Arbeit. Der Zubau an Erneuerbaren Energien sorgte für „Strom-on-top“ sowie massiven erneuerbaren Stromproduktionskapazität.
Mit dem Atom- und Kohleausstieg geht der Gesetzgeber nun den logischen nächsten Schritt und nimmt im Gegenzug fossile Produktionskapazität vom Netz. Basis dafür bildet eine fossile Übergangstechnologie: Gaskraftwerke zur Stromherstellung.
Ausgleichsgeber-Ausgleichsnehmer-Effekt
Zum Hintergrund: Analog zum Gasgrill verfügen Gaskraftwerke über den Vorteil, dass sie kurzfristig ihre Stromproduktion starten, erhöhen oder drosseln können. Bei ungeplantem
Sonnenschein oder Windaufkommen können Gaskraftwerke daher umgehend auf den Strom aus Erneuerbaren Energien reagieren. Es entsteht ein Ausgleichgeber-Ausgleichnehmer-Effekt. Darüber hinaus können sie eine Versorgung in den Dunkelstunden ableiten und bei Tag kurzfristig wieder abfahren.
„Die Strom-Herstellungskosten unterscheiden sich deutlich - an der EEX jedoch legt das teuerste Kraftwerk den Börsenpreis fest.“
Erneuerbare Energie + Gas = ROI eines Milliarden-Investments
Daraus ergibt sich – vor allem wegen der noch ausbaubaren Speichertechnik – die aktuell maximale Nutzbarkeit von Strom aus erneuerbaren Energien. Sind erst mal ausreichend Gaskraftwerke am Netz, kann die Kohleverstromung auf ein Minimum reduziert werden, was klimapolitisch wünschenswert wäre. Parallel dazu würde das Milliarden-Investment Erneuerbare Energien wegen der nun entstandenen Nutzbarkeit seinem lang ersehnten ROI zugeführt werden. Das Problem: Die aktuellen Gaskraftwerkskapazität liegen weit unter dem benötigten Volumen. Ein neuerliches Milliarden-Investment der Kraftwerksbetreiber wird nötig sein, um die erforderliche Anzahl an Kraftwerken bereit zu stellen. Es ist davon auszugehen, dass zuvor Zusicherungen oder zumindest gesicherte Markterwartungen eingeholt werden, sodass die neuen Gaskraftwerke ihren Strom zumindest über Herstellkosten verkaufen können.
Geopolitische Betrachtung
Zurück zum Thema Herstellkosten: Im Juni 2021 hatte ein Gaskraftwerk laut Fraunhofer-Institut auf Basis von konstant fließendem und frei verfügbarem Erdgas Herstellkosten von 29 ct / kWh. Nach dem Ukraine-Konflikt ergeben sich nun andere Marktbedingungen. Fraglich ist, zu welchem Preis zukünftig eine Versorgung mit Erdgas möglich sein wird. Weiter ist fraglich, welche Kostensteigerungen bei einer Nutzung von LNG zu erwarten sind.
Eine Einschätzung
Das sprichwörtliche „Zünglein an der Waage“ für die langfristige Entwicklung des Strommarktes scheint der Preis für Gas zu sein. Neben stehendes Preischart zeigt die Erdgaspreise zum Stand 01.06.2021 bis Mitte Februar. Parallel sehen wir im Strom die Entwicklung – eine klare Verknüpfung.
„Der ausschlaggebende Impuls für die langfristige Entwicklung des Strompreises scheint der Gaspreis zu sein.“